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 „Und im zweiten Jahr der Regierung Nebukadnezars hatte Nebukadnezar Träume, so dass sein Geist sich beunruhigte und er nicht mehr schlafen konnte.“

 

Dies ereignete sich zu Beginn der Regierung Nebukadnezars im Jahr 603 v.u.Z. Der babylonische König Nebukadnezar II. war ein intelligenter König, der sich über die Zukunft seines Reiches viele Gedanken machte. Daniel 2,29 berichtet, dass er darüber nachdachte, „was nach diesem geschehen wird“. Nebukadnezar hat sich sicher Sorgen gemacht, was aus Babylon wird. Er hat den Untergang Assyriens, die Niederlage Ägyptens und die Eroberung Jerusalems hinter sich.

JaHuWaH antwortete ihm mit einem Traum. In der antiken Welt hatten Träume eine große Bedeutung. Man erachtete sie als eine Offenbarung der Götter. Deswegen hatte man an den Königshöfen von Babylon und Ägypten auch grundsätzlich Traumdeuter angestellt.

Koenig nachdenklichDer König konnte nicht mehr einschlafen, weil der Traum furchterregend und beängstigend war. Das verwundert auch nicht, nachdem er 605 v.u.Z. die Schlacht bei Karkemisch1 hinter sich gebracht hatte (Jeremia 46,2), wo er die Ägypter zum Rückzug innerhalb ihrer früheren Grenzen zwang. Nebukadnezar wurde damit Herrscher über alle Verwaltungsbezirke östlich des Euphrats. Jedoch gab es auch eine wachsende Macht nördlich seines Reiches, die ihn mit Furcht erfüllen musste: die Meder.  Möglicherweise erfasste ihn deshalb eine gewisse Vorahnung. Der Traum versetzte den König in große Aufregung, besonders da er ihn weder einordnen noch deuten konnte.

 

Im zweiten Jahr der Regierung Nebukadnezars


Diese Zeitangabe wirft eine Frage auf: Wie kann es sein, dass sich dieser Traum im zweiten Regierungsjahr Nebukadnezars ereignete, wenn die Ausbildung der Hebräer am Hofe Babylons mit dem ersten Regierungsjahr des Königs begann (siehe Daniel 1,1) und drei Jahre dauerte (Daniel 1,5.18)? Es müsste doch nach diesen Angaben im ersten Buch Daniel eher das dritte oder vierte Regierungsjahr Nebukadnezars gewesen sein.

Aufgrund dieses vermeintlichen Widerspruchs erachten Kritiker und einige Bibelkommentatoren diese Aussage als einen historischen Fehler. Zuweilen wird damit die Echtheit des Buches Daniels oder gar die gesamte Bibel in Frage gestellt. Eine sehr oberflächliche und unbedachte Kritik, weil man annehmen müsste, der Autor dieses Buches schriebe zwei aufeinanderfolgende Kapitel, mache aber einen so offensichtlichen Fehler. Wie ein Bibelkommentar dazu schreibt, zeigt der Sachverhalt vielmehr die Genialität des Buches, weil ein Fälscher oder Märchenerzähler sicherlich versucht hätte, keinen solchen deutlich erkennbaren Widerspruch zu produzieren.2

Bei eingehender Betrachtung wird deutlich, dass es eine völlig korrekte Aussage ist. Bevor darauf eingegangen wird, nachfolgend verschiedene Lösungsansätze bzw. Ansichten:

 

StecknadelRegierungsjahr Nebukadnezars gemeinsam mit seinem Vater Nabopolassar

Eine Ansicht besagt, dass die Ausbildung der jungen Hebräer von dem Zeitpunkt aus gezählt wurde, als Nebukadnezar noch zusammen mit seinem Vater Nabopolassar regierte. In Daniel Kapitel 1 soll Nebukadnezar noch nicht als König geherrscht haben, während das „zweite Jahr“ in Daniel 2,1 von seiner Alleinherrschaft ausgeht.

AusrufezeichenEinwand

Nebukadnezar wird bereits in Daniel 1,1 als „König“ bezeichnet und in Daniel 1,10 nennt Daniel Nebukadnezar „meinen Herrn und König“. Nebukadnezar regierte zwei Jahre lang gemeinsam mit seinem Vater Nabopolassar. Man kann wohl kaum annehmen, dass es in dieser Zeit Nebukadnezar ist, der als „König“ angesprochen und gehuldigt wird. Nabopolassar starb im Sommer 605 v.u.Z. Einen Monat später bestieg sein Sohn Nebukadnezar II. den Thron. Er ist zu diesem Zeitpunkt bereits Alleinherrscher.

 

StecknadelZweites Jahr nach der Zerstörung Jerusalems oder der Eroberung Ägyptens

Das „zweite Jahr“ ist das zweite Jahr nach der Zerstörung Jerusalems im Jahr 587 v.u.Z. Andere Ausleger beziehen es auf das zweite Jahr nach der Eroberung Ägyptens.

AusrufezeichenEinwand

Beide Annahmen machen überhaupt keinen Sinn und widersprechen auffallend den Angaben im ersten und zweiten Kapitel. Unter anderem würde das auch bedeuten, dass sich die Ereignisse in Daniel 2,1 nicht im zweiten Jahr der Regierung Nebukadnezars ereigneten. Es heißt aber ausdrücklich: „Im zweiten Jahr der Regierung Nebukadnezars“. Im Jahr 587 v.u.Z. war er noch lange nicht König. Überdies wird Nebukadnezar  bereits in Daniel 1,1 als „König“ bezeichnet.

Das würde zudem bedeuten, dass die Ereignisse im zweiten Buch Daniel chronologisch nicht auf die Aussagen im ersten Buch Daniels folgen. Das erste Wort in Daniel 2,1 ist das Wort “und”. Dieses Wort verbindet dieses Kapitel mit den Ereignissen im vorhergehenden Kapitel. Außerdem heißt es in Daniel 1,17, dass JaHuWaH Daniel Weisheit gab, um Träume zu verstehen. Im Kapitel 2 folgt nun der auszulegende Traum. Dies zeigt eindeutig, dass die Geschehnisse in Daniel 2 chronologisch auf das erste Kapitel folgen.

 

StecknadelIm zweiten Ausbildungsjahr

Eine Ansicht geht davon aus, dass Nebukadnezar den Traum im zweiten Ausbildungsjahr Nebukadnezars hatte. Daniels Lehrzeit war also demnach noch nicht beendet, als Daniel ihm denTraum deutete.


AusrufezeichenEinwand

Am Ende des ersten Kapitels wird das Ende der Ausbildung beschrieben und Daniel sowie seine drei Freunde wurden auf leitende Positionen gesetzt. Zudem lässt Daniel 2,13 erkennen, dass die jungen Männer zu diesem Zeitpunkt bereits eine gewisse Stellung am Hofe Babylons inne hatten, denn sie sollten zusammen mit den Chaldäern, Weisen und Traumdeutern umgebracht werden. Wären sie noch in der Ausbildung, würde man sie kaum verantwortlich machen. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Ausbildung zur Zeit des ersten Traums bereits zu Ende war. Darüber hinaus würde diese Ansicht das Kapitel Daniel 2 chronologisch vor dem Ende des ersten Kapitels platzieren.

 

StecknadelNach der Ausbildung im zweiten Jahr der Regierung des Königs


Die Ausbildung der jungen Männer war zu diesem Zeitpunkt (Daniel 2,1) bereits beendet. Dieses Ende des dritten Ausbildungsjahres fällt, wie geschrieben, in das zweite Jahr der Alleinherrschaft des König Nebukadnezars. Die Ausbildungsjahre werden als „inklusive“ Jahre gezählt. Das heißt, die hebräischen Jugendlichen wurden nicht für volle drei Jahre ausgebildet, sondern lediglich ein volles und Teile der anderen beiden Jahre. Darüber hinaus ist das Thronbesteigungsjahr des Königs nicht sein erstes Regierungsjahr.


gruener PfeilDieser Ansicht ist zu folgen. Es gibt damit keinerlei Widersprüche und die Aussage kann genauso verstanden werden wie sie in Daniel 2,1 steht. Es gibt dafür eine ganz einfache und verständliche Erklärung, die diese beiden Zeitangaben in Daniel 1,5.18 und Daniel 2,1 überein bringen.

Zunächst ist es erforderlich, die Gedanken der Bibelschreiber nachzuvollziehen. Sie lebten in einer anderen Kultur. Und genauso wie sie sich im Unterschied zu uns heute anders kleideten, anders schrieben und anders sprachen, so haben sie auch die Zeit anders gemessen. Folgende Punkte sind bei der Zeitrechnung in Babylon und den meisten antiken Kulturen zu beachten:


Inklusive Rechnungsmethode

Die Hebräer rechneten im Altertum nach der „inklusiven“ Rechnungsmethode.  Diese Rechnungsweise war in der antiken Welt weit verbreitet (vgl. 2. Könige 18,9-10).  Man kann es zur Veranschaulichung ein wenig vergleichen mit unserem heutigen Auf- oder Abrundungsverfahren: Ab 50% wird auf die volle Zahl aufgerundet, darunter abgerundet. Bei der hebräischen inklusiven Zeitrechnungsmethode wird jedoch grundsätzlich jeder Teilbetrag voll zur nächste Zahl hinzugerechnet.

Während für uns heute z.B. die Aussage „von Montag Mittag bis Montag Mittag der folgenden Woche“ genau sieben Tage umfasst, wäre diese Zeitangabe für die Menschen der damaligen Zeit acht Tage gewesen. Einfach deshalb, weil sie den gesamten Tag des ersten Montags sowie den gesamten Tag des letzten Montags mit in die Zählung einbezogen. Und so ist es auch mit den Jahren: Das erste Jahr schließt das gesamte Jahr ein, auch wenn das Ereignis erst im 10. Monat beginnt.

Ein Beispiel haben wir im Neuen Testament mit dem Ausdruck „drei Tage und drei Nächte“, in denen der Messias im Grab lag. Es waren keine vollen drei Tage, sondern wie es an vielen anderen Stellen heißt, stand Er „am dritten Tag“ auf. Das heißt, der Tag Seiner Beerdigung als auch der Tag Seiner Auferstehung zählen als zwei volle Tage. Plus dem Tag in dem Er am Sabbat „im Grab ruhte“, sind es drei Tage.

Wenn es heißt „im ersten Jahr“, kann dieses Jahr auch nur 4 Monate umfassen; und zwar dann, wenn die Zeitperiode erst im 8. Monat begann. Die Ausbildungszeit Daniels und seiner Freunde kann also wesentlich kürzer als 36 Monate gewesen sein. Nehmen wir den extremsten Fall, dann wären es sogar nur 14 Monate, wenn die Ausbildung im 12. Monat des ersten Ausbildungsjahres begann und im 1. Monat des letzten Ausbildungsjahres endete. Das erste und das letzte Jahr waren demnach nur Teiljahre, die als volle Jahre gezählt wurden. Wir können also davon ausgehen, dass die 3-jährige Ausbildung Daniels und seiner Freunde keine drei kompletten Kalenderjahre dauerte. 

 

Babylonische Rechnungsmethode der Regierungsjahre

In Babylon wurde das Thronbesteigungsjahr eines Königs nicht als das erste Jahr seiner Regierung gerechnet. Damit war das erste Jahr der Regierung Nebukadnezars bereits das zweite Ausbildungsjahr Daniels. Sein zweites Regierungsjahr war damit das dritte Ausbildungsjahr Daniels. Damit beendete Daniel sein drittes Ausbildungsjahr im zweiten Regierungsjahr Nebukadnezars. Genau das Jahr, indem das zweite Kapitel beginnt. Die drei Ausbildungsjahre lassen sich demnach wie folgt einordnen:

  1. Als die jungen Hebräer am babylonischen Hof ankamen und ihre Ausbildung im ersten Ausbildungsjahr begannen, war es das Thronbesteigungsjahr Nebukadnezars, nachdem sein Vater gestorben war. Dieses Jahr zählte noch nicht als das erste Regierungsjahr.
  2. Das dritte Ausbildungsjahr der jungen Hebräer fällt somit in das zweite Regierungsjahr Nebukadnezars. In diesem Jahr beendeten sie ihre Ausbildung  
  3. Somit ist naheliegend, dass die Ausbildung Daniels und seiner Gefährten bereits zu Ende war, als König Nebukadnezar den Traum hatte.

Beachtet man diese damalige Zählweise der Jahre, gibt es keinen Grund, einen Widerspruch in der Zeitangabe zu sehen, wie es einige Kritiker behaupten. So müssen auch nicht solche kaum haltbaren Annahmen gemacht werden wie die, dass sich das zweite Jahr der Regierung in Daniel 2,1 auf das zweite Jahr nach der Eroberung Ägyptens bezieht oder dass der Traum Nebukadnezars noch in der Ausbildungzeit Daniels liegt.

Wenn man diese Prinzipien der antiken Zeitberechnung anwendet, verschwinden alle Schwierigkeiten hinsichtlich der Zeitangabe in Daniel 1,5.18 und Daniel 2,1.

 

“Hatte Träume”


Buchstäblich heißt es im Hebräischen in Daniel 2,1: Der König „träumte Träume“. Verb und Substantiv haben dieselbe Wurzel. Dies bedeutet entweder, dass der König mehr als einen Traum in dieser Nacht hatte oder dass sich derselbe Traum während einiger Nächte wiederholte. Dieser Ausdruck kann jedoch eine idiomatische Redewendung sein und für einen einzelnen beeindruckenden und wichtigen Traum gelten.

Die Wortwurzel חלם (chalam) ist ein abstraktes feminines Hauptwort. Es erscheint, wie im Hebräischen viele abstrakte Hauptwörter, im Plural und wird in dem Satz „Nebukadnezar hatte [chalam] Träume [chalam]“ zweimal verwendet. In Daniel 4,2 und 7,1 wird  diese Redefigur „träumte Träume“ nicht verwendet. Auch das Hauptwort Traum steht im selben Kapitel 2, wo das Wort 13 Mal vorkommt, nicht mehr im Plural. Einige Kommentatoren sind der Ansicht, dass diese hebräische Verdoppelung des Wortes lediglich eine „Verlaufsform der Vergangenheit“ wiedergibt, wie es sie im Englischen gibt: „was dreaming“ (war am träumen). Auch der Gesamtzusammenhang zeigt, dass es sich hier um einen einzigen Traum handeln muss.

infoTräume hatten generell einen großen Einfluss auf assyrische, ägyptische und babylonische Könige. Man betrachtete Träume als Offenbarung der Götter. Es gab babylonische „Traumbücher“, wie gefundene Urkunden und Keilschrifttafeln zeigen. König Schurbanapal, der von 668 bis 626 v.u.Z. das Assyrische Reich regierte, ließ sich ebenfalls von den Träumen der Götter in seinen Feldzügen leiten. Dieser König war völlig überzeugt, dass die Götter ihm halfen. Es wurde auch ein langes Gebet von ihm an die Göttin Ischtar während seines Kriegszuges gegen den elamitischen König Teumann gefunden.3

Unser Himmlischer Vater gab den heidnischen Herrschern Träume, um die Zukunft zu offenbaren. Gleichzeitig brachten sie den von JaHuWaH beauftragten Auslegern der Träume eine hohe Stellung im Reich ein, was auch eine große Hilfe für deren Landsleute war. So war es auch mit den Träumen des Pharao in Ägypten, dessen Traum Joseph auslegte. Als eine große Hungersnot über das Land zog, profitierten Josefs Verwandte und Landsleute davon (1. Mose 46,3-7), oder wie es in 1. Mose 50,20 heißt: „um ein großes Volk am Leben zu erhalten“. Solche Träume gibt JaHuWaH als Warnung vor Unglücken und als Beweis für Seine große Barmherzigkeit und Sorge für die Menschen.

„Im Traum, im Nachtgesicht, wenn tiefer Schlaf die Menschen befällt und sie auf ihren Lagern schlummern, da öffnet er das Ohr der Menschen und besiegelt seine Warnung an sie, um den Menschen von seinem Tun abzubringen und den Mann vor dem Hochmut zu bewahren, damit er seine Seele vom Verderben zurückhalte, und sein Leben davon, in den Wurfspieß zu rennen.“ (Hiob 33,15-18)


In Daniel Kapitel 2 hatte JaHuWaH eine Botschaft für den heidnischen König Nebukadnezar. Am Hof des Herrschers waren Menschen, durch die der Allmächtige wirken und die Wahrheit über Ihn und Seine Erlösung offenbaren konnte. Unser Schöpfer schaut nicht die Person an. Sein Ziel ist es, so viele Menschen wie möglich aus dieser sündigen, unvollkommenen und verdorbenen Welt zu retten; völlig unabhängig davon, welcher Nation sie angehören, welche Sprache sie sprechen oder von welcher ethnischen Gruppe sie abstammen.

Der Traum sollte dem König zeigen, dass es der Schöpfer der Menschen ist, der die Weltgeschichte lenkt. Dem König gab er mit dem Traum die Möglichkeit, verantwortlich seinen Teil in diesem göttlichen Plan zu übernehmen. Jede  altertümliche Nation erhielt einen besonderen Platz in JaHuWaHs Plan. Wenn Regierende und das Volk versagten, verloren die Nationen ihre Herrlichkeit und Souveränität.

JaHuWaH wandte sich an den König mittels eines Traumes. Es war wohl das effektivste Mittel, damit Nebukadnezar die Wichtigkeit der Botschaft aufnehmen konnte. Denn Träume waren den heidnischen Königen als Mitteilung ihrer „Götter“ vertraut. JaHuWAHs Geist trifft auf die Menschen immer dort, wo sie sich befinden. Das heißt, wenn Er heute Seinen Willen den Menschen mitteilt, benutzt Er weniger spektakuläre Mittel. Sein Geist wirkt heute durch Seinen Sohn an den Menschen oft nur wie ein „Wind“. Er kommuniziert mit jedem einzelnen von uns, wie jeder in der Lage ist, es zu verstehen und in welcher Umgebung, Kultur oder welchen Umständen er lebt.

„Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist jeder, der aus dem Geist geboren ist.“ (Johannes 3,8)

Träume haben für uns heute nicht die Bedeutung, wie zur damaligen Zeit. Träume vorschnell als JaHuWaHs Mitteilung zu deuten, kann verheerende Auswirkungen haben. Besonders in charismatischen Kreisen „träumen“ und befolgen die Menschen vermeintlich „göttliche“ Anweisungen, die sie gerne befolgen. Nicht selten stellt sie sich im Nachhinein als Fehlinterpretation heraus. Siehe hierzu auch

„Sei nicht vorschnell mit deinem Mund, und dein Herz eile nicht, ein Wort vor Gott hervorzubringen; denn Gott ist im Himmel, und du bist auf der Erde: Darum seien deiner Worte wenige. Denn Träume kommen durch viel Geschäftigkeit, und der Tor wird laut durch viele Worte.“ (Prediger 5,1-2)

 

„Sein Geist wurde beunruhigt“


Derselbe Ausdruck erscheint in dem Bericht über den Traum des Pharaos in 1. Mose 41,8: „Und es geschah am Morgen, da war sein Geist beunruhigt.“ Dieser Ausdruck zeugt von einer tiefen inneren Unruhe, wie es der Psalmschreiber Asaph eindrucksvoll aufzeigt, der dasselbe hebräische Wort פּעם (pa'am) für Unruhe benutzt:

„Ich rufe zu Gott und will schreien; zu Gott rufe ich, und er wolle auf mich hören! Zur Zeit meiner Not suche ich … [JaHuWaH]; meine Hand ist bei Nacht ausgestreckt und ermüdet nicht, meine Seele will sich nicht trösten lassen. Denke ich an Gott, so muss ich seufzen, sinne ich nach, so ermattet mein Geist. Du hältst meine Augenlider offen; ich werfe mich hin und her [פּעם (pa'am)]und kann nicht reden. Ich gedenke an die alte Zeit, an die Jahre der Urzeit; ich gedenke an mein Saitenspiel in der Nacht, ich sinne in meinem Herzen nach, und es forscht mein Geist …“ (Psalm 77,2-7)

Asaph scheint, wie König Nebukadnezar, schlaflose Nächte verbracht zu haben. Er sinnierte über sein Leben nach. Seine Erfahrungen und Erlebnisse in seinem Leben zogen an ihm vorüber. Liest man diese Verse, kann man davon ausgehen, dass Asaph depressiv und sehr verzweifelt war. Ernsthaft stellt er sich die Frage: „Wird JaHuWaH auf ewig verstoßen und niemals wieder gnädig sein? Ist‘s denn ganz und gar aus mit Seiner Gnade, und ist die Verheißung zunichte für alle Geschlechter?“ (Psalm 77,8-9)

infoAsaph, der Schreiber von Psalm 77, soll der Sohn Berechiahs sein, von dem man annimmt, dass er ein Vorfahre der Asaphiten war. Die Asaphiten waren Musiker und dienten am Tempel Salomos. Asaph wird auch den Leviten zugehörig betrachtet. Er war ein Sänger unter König David (1. Chronik 15,18-19).

Was verursachte in Asaph solche Verzweiflung? Asaph diente als Beamter für viele Jahre, sowohl unter König David als auch später unter König Salomo. Asaph hat viel gottloses Handeln der Beamten am Königshof gesehen und erlebt, wie sein Bericht in Psalm 73 zeigt. Asaph bekam die Teilung Israels mit und den Überfall auf den Tempel durch den Einfall der Ägypter. Er war Zeuge von Davids Fehltritten, sah  jedoch auch die große Barmherzigkeit und den großen Segen JaHuWaHs auf Davids Leben. Er kannte JaHuWaHs Charakter, Seine Liebe und Geduld.

Asaph besinnt sich in seiner Traurigkeit und hörte nicht auf, seinem Schöpfer zu vertrauen. Er lobte in den nachfolgenden Versen in Psalm 77 Seine Größe, Allmacht und Seine großartigen Taten für Sein Volk. Was auch immer Asaph in Psalm 77 so sehr beunruhigte, diese Trostlosigkeit und Beunruhigung brachte ihn noch näher zu seinen Schöpfer, bei dem er Zuflucht suchte.

Wenn wir aufgrund unserer Lebensumstände in schwierige, beunruhigende Zeiten und Situationen geraten, können auch wir sicher sein, dass uns unser Himmlischer Vater nicht verlassen hat. Auch wenn Er nicht sofort antwortet, so können wir wissen, dass „unsere Bedrängnis, vorübergeht und leicht ist“ und Er uns „eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit“ verschafft, „da wir nicht auf das Sichtbare sehen, sondern auf das Unsichtbare; denn was sichtbar ist, das ist vergänglich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.“ (2. Korinther 4,17)

JaHuWaH bewegt und beunruhigt auch Menschen, die bisher nicht auf Ihn bauten und vertrauten, wie Er es mit König Nebukadnezar tat. Der babylonische König war sicher nicht nur ängstlich und beklommen aufgrund seines Traumes. Er machte sich bereits zuvor ernsthafte Gedanken über die Zukunft, wie Daniel 2,29 zeigt. Sein Geist quälte ihn mit der Frage, wie es mit seinem Königreich wohl weiter gehen und wie lange es bestehen wird.

Auch uns Menschen bewegen solche Gedanken und Fragen: “Was wird der morgige Tag bringen? Wie wird meine Zukunft aussehen? Was ist die Zukunft dieser Erde?“ Auch solche Gedanken sind JaHuWaHs Wirken an uns. Aber genauso oft wie sie aufkommen, verdrängen wir sie auch.

JaHuWaH rührt jeden Menschen mit Seinem Geist an, damit wir nachdenken und handeln. Oft beunruhigt das unseren Geist mehr oder weniger heftig. Aber nur so wachen wir aus unserem Schlaf auf. Auch wenn es manchmal ein langsames Aufwachen ist, JaHuWaH beunruhigt uns so lange, bis wir Seinem Werben nachgeben und gehorchen.

Jeder Mensch wird in seinem Leben einmal oder mehrmals an einen Punkt gebracht, an dem ihm der Schöpfer bewusst wird; er denkt über das Leben nach. Der eine früher, der andere erst in späteren Jahren. Es kann ausgelöst werden durch Schicksalsschläge, durch den Einfluss anderer Menschen oder einfach durch gewisse Umstände im Leben.

Wie es auch immer geschieht und was die Gedanken auslösen, wir merken, es gibt etwas Größeres als uns selbst und unser zeitlich begrenztes Leben. An dieser Weggabelung können wir uns entscheiden: Will ich mehr wissen, mehr über das menschliche Schicksal erfahren? Will ich mir eingestehen, dass ich nicht vollkommen bin, dass ich mein Leben nicht selbst meistern kann und dass die Quelle alles Lebens vom Schöpfer kommt? Oder handle ich so wie es Winston Churchill (1874-1965) einmal gesagt haben soll:

Jeder Mensch stolpert im Laufe seines Lebens irgendwann über die Wahrheit, doch die meisten stehen auf, klopfen sich den Staub ab und gehen weiter.“

Wir mögen jetzt unseren Schöpfer nicht anerkennen und Ihm die gebührende Ehre erweisen, aber Er wirkt an uns. Wie bei König Nebukadnezar, so kontrolliert Er auch unseren Schlaf und unsere wachen Stunden. Daniel lehrte Nebukadnezar, dass es „einen Gott im Himmel gibt, der Geheimnisse offenbart“ (Daniel 2,28). Später verkündigte er König Belsazar, dass dessen Odem und dessen Lebensweg in der Hand JaHuWaHs liegen. Nicht wir haben die Dinge in der Hand, sondern unser Schöpfer. Mögen uns die Worte, die der Allmächtige durch Daniel dem letzten babylonischen König Belsazar zukommen ließ, beunruhigen, damit wir aufwachen und unseren Lebenswandel überdenken:

Koenig BelsazarDas Gastmal des König Belsazars
mit dem Urteilsspruch an der Wand
Gemälde von Rembrandt
© Public Domain
„Du hast dich über den Herrn des Himmels erhoben; und man hat die Gefäße Seines Hauses vor dich gebracht, und du und deine Gewaltigen, deine Frauen und Nebenfrauen, ihr habt Wein daraus getrunken, und du hast die Götter aus Gold und Silber, aus Erz, Eisen, Holz und Stein gepriesen, die weder sehen noch hören noch verstehen; den Gott aber, in dessen Hand dein Odem und alle deine Wege sind, hast du nicht geehrt! Infolgedessen wurde von Ihm diese Hand gesandt und diese Schrift geschrieben. So lautet aber die Schrift, die geschrieben steht: »Mene, mene, tekel upharsin!« Und das ist die Bedeutung des Spruches: »Mene« bedeutet: Gott hat die Tage deines Königtums gezählt und ihm ein Ende bereitet! »Tekel« bedeutet: Du bist auf einer Waage gewogen und zu leicht erfunden worden! »Peres« bedeutet: Dein Königreich wird zerteilt und den Medern und Persern gegeben werden!“ (Daniel 5,23-28)

Belsazar hat sich von JaHuWaHs Werben bzw. von dessen Geisteswirken bis zu diesem Zeitpunkt nie wirklich „beunruhigen“ lassen. Noch in derselben Nacht verlor er sein Leben (Daniel 5,30).

„Du denn, kehre um zu deinem Gott;
bewahre Güte und Recht,
und hoffe beständig auf deinen Gott.“
(Hosea 12,7)

„Heute, wenn ihr Seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht.“
(Psalm 95,7; Hebräer 3,7)




1 Das antike Karkemisch befand sich in der heutigen Türkei direkt an der syrischen Grenze. Heute ist Karkemisch ein ausgedehntes Ruinenfeld am rechten Ufer des Euphrat. Die babylonischen Armee unter Nebukadnezar II. besiegte die ägyptischen Armee unter Necho II. Up

2 A Commentary, Critical, Practical, and Explanatory on the Old and New Testaments by Robert Jamieson, A. R. Fausset and David Brown, 1882 Up

3 Morris Jastrow, Die Religion Babyloniens und Assyriens, Band 1, J. Ricker’sche Verlagsbuchhandlung, Giessen, 1905, S. 416-417 Up