Zwischen den antiken Hebräern und den alten Griechen gibt es einen beträchtlichen Unterschied in der Denkweise hinsichtlich der Weltsicht. Das hebräische Denken steht dem natürlichen Leben näher. Es beschäftigt sich nicht mit den abstrakten und wissenschaftliche festgeschriebenen Antworten auf den Sinn des Lebens. Wir sind von der griechischen Denkwelt geprägt und zerpflücken oft alles in Einzelheiten, analysieren jedes einzelne Wort und sehen am Ende den Wald vor lauter Bäume nicht mehr.
Diese Ausarbeitung ist Teil der Artikelserie „Der Weg der Erlösung zurück zur Sabbatruhe“.
Inhalt dieses Artikels (Auf dieser Seite 3. Kapitel)
- Wahrheit - Biblisch-hebräisches Denken
- Von der hebräischen zur griechischen Bibel
- Die Denkwelt der antiken Hebräer und Griechen
- Wahrheit tun, Wahrheit geschieht
- Treu, barmherzig, zuverlässig, beständig = Gerechtigkeit
- Herzenswahrheit – ein Beziehungsgeschehen
- Wahrheitserfüllung einer Verheißung
- Wahrheit als sich entfaltender Plan in der Zeitgeschichte
- Leben in der Wahrheit – Ein dringender Appell
Im antiken Hebräischen fragt man nicht nach dem, was im objektiven logischen Sinn wahr ist, sondern nach dem subjektiven Sinn, dem Beständigen, Sicheren und Zuverlässigen. Man will den Kern einer Sache finden und erfassen. Es geht um das große Ganze. Es dreht sich um das Wesentliche, das Herz. Es geht nicht darum, was der Mensch oberflächlich äußerlich sieht, sondern um das Herz (vgl. 1. Samuel 16,7). Es handelt vom Plan der Erlösung, den JaHuWaH mit Seinem Sohn für die Menschen gefasst hat. Diesen Plan gilt es, mit dem Herzen zu erkennen und dem Sohn von Herzen zu folgen.
Dazu braucht es keine umständliche abstrakte Beweisführung. Man erreicht um einiges mehr mit einer Gleichnisrede, welche den Menschen mitten im Leben und in seinem Inneren trifft. JaHuWschuaH hat fast nur in Gleichnissen zu den Menschen gesprochen. Nicht nur der Gelehrte kann daraus eine Erkenntnis ziehen, auch ein Kind wird es verstehen. So werden die Menschen aller Altersstufen und aller Klassen am besten erreicht und überzeugt.
Die griechische Sprache wie die deutsche Sprache gehören zur indogermanischen Sprachwelt. Dazu zählen alle germanischen (z.B. Englisch, Deutsch, Jiddisch), romanischen (z.B. Spanisch, Italienisch, Französisch), keltischen, baltischen, indoiranischen Sprachen, etc. Im Unterschied dazu gehört die althebräische Sprache zur semitisch-hamitischen bzw. afroasiatischen Sprachfamilie. Sie ist mit der aramäischen und der arabischen Sprache verwandt.
Dem Hebräer ist bewusst, dass alles Wissen von JaHuWaH kommt. Das Ziel in der griechischen Philosophie ist hingegen, selbst Erkenntnis zu erlangen. Auch bei uns hat diese Religion in großem Stil Eingang gefunden. Bücher wie „Finde dich selbst“ oder „Der Weg zur Selbsterkenntnis“ sind uns geläufig. Für den Hebräer ist die Weisheit des Schöpfers der Anfang der Weisheit.
Während die Vorstellung der Griechen von Gott als eine Idee beschrieben wird als das „Sein Gottes“, offenbart sich der Gott der Bibel als ein Gott, der handelt, eingreift und wirkt. Das Wesen des Schöpfers lernt man in Seinen Handlungen mit den Menschen kennen. In keinem Buch der Bibel wird das Wesen Gottes systematisch erklärt. Es sind vielmehr Geschichten, Berichte und Gleichnisse, die zeigen, wie der Schöpfer mit Seinen Geschöpfen in Beziehung tritt, mit ihnen spricht, sie leitet, führt und Bündnisse eingeht. In Seinem Sohn, der sichtbar in die Menschenfamilie eintritt und darin lebt, zeigt sich das innige Verlangen, die Menschen dorthin zu bringen, wo ihr Platz ursprünglich sein sollte: in Seiner Nähe, in Seinem Reich.
Im griechisch-westlichen Denken ist der Unterschied zwischen dem Verb „sein“ und dem Verb „werden“ wichtig. Das Wort „sein“ ist in unserem Sprachverständnis nur ein Hilfsverb, das alles Mögliche sein kann. Das Wort an sich hat nichts Charakteristisches an sich. Im Hebräischen gibt es für „sein“ und „werden“ nur ein Wort: haja. Oberflächlich betrachtet könnte man annehmen, dass es ebenfalls nur ein wenig bedeutendes Hilfsverb ist. Bei näherer Betrachtung zeigt es sich jedoch, dass es viele Bedeutungen und Schattierungen hat.
Haja (sein) ist ein Vollverb mit verbaler Kraft. Es ist mit dem Ausdruck „wirksam sein“ besser zu verstehen. „Es wird geschehen“, es geschieht etwas. Da gibt es keinen Stillstand. Es ist meist mit einer Verheißung verbunden. Das Wort haja ist ein „sein“ dass durch das Wirken des Allmächtigen und durch die Interaktion des Menschen „wird“. Werden, herbeiführen, bewirken – es ist ein „sein einer aktiven Person“.
Haja wird immer dann benutzt, wenn etwas zur Realität wird; wenn beispielsweise ein Land zur Wüste wird (vgl. 2. Mose 23,29). Es kann zudem eine innere Realität ausdrücken, wie z.B. Durch Übertretung des Bundes „untreu geworden“ (Hosea 6,7). Beeindruckend ist die Form von haja, wenn etwas Neues entsteht. So heißt es im Ersten Buch Mose:
“Und die Knaben wuchsen heran. Und Esau wurde [haja] ein jagdkundiger Mann, ein Mann des Feldes; Jakob aber [war] ein sanfter Mann, der in den Zelten blieb.“ (1. Mose 25,27)
Im ersten Fall steht haja, weil sich etwas verändert. Im zweiten Fall, bei Jakob, steht kein haja, weil es nur einen unveränderten Zustand beschreibt. Es braucht das Verb haja dafür nicht. Im Deutschen würde der Satz jedoch unvollständig klingen, weshalb man das Hilfsverb „sein“ einsetzt. Auch im Namen unseren großen Schöpfergottes JaHuWaH spielt das haja eine große Rolle, siehe: "Sein Name zum Gedenken an Seine Schöpfung".
Damit wird verständlich, warum es für den Hebräer kein Nichtbewegen oder Stillstehen gibt. Das Hebräische hat keine eigenen Verben für den Stillstand, wie unsere Verben „stehen“, „sitzen“, „liegen“. Bewegung und Stillstand sind keine Gegensätze. Sie sind so eng verbunden, dass sie zusammen eine Einheit bilden. Im Hebräischen gibt es deshalb nur ein Wort für stehen und aufstehen. Denn das Stehen gehört zur Bewegung des Aufstehens. Mit dem Stehen ist der Vorgang bzw. die Bewegung abgeschlossen. Das Stehen ist deshalb mit dem Aufstehen verbunden. Ein statisches „Sein“ gibt es für den Hebräer nicht. Nur ein „Sein“, das in einer inneren Beziehung zu einer aktiven Handlung und Bewegung steht, ist Realität.
Wir können logisch denken, indem wir eine Sache von außen objektiv und unpersönlich betrachten – ein griechisch-platonisches Denken. Wir können aber auch psychologisch verstehen, indem wir uns in eine Sachlage oder in eine Person versuchen hineinzudenken. Das ist hebräisches psychologisches Denken. Die platonisch-aristotelische Logik gründet sich auf das Seiende und Unveränderliche – das, was deutlich zu erkennen und zu sehen ist. Man will die Wirklichkeit erfassen, so wie sie sich für den Menschen tatsächlich darstellt und immer sein wird. In der platonischen Ideenlehre ist das Seiende das Wahre. Der antike Hebräer dachte hingegen ganzheitlich, handelnd, auf ein Ziel hinführend.
Ein Beispiel zeigt das hebräische Wort עבד (abad), das im vierten Gebot für „arbeiten“ benutzt wird. Das Wort bedeutet sowohl das „Dienen“ im geistlichen Sinn als auch das profane alltägliche Arbeiten. Im vierten Gebot heißt es: „Sechs Tage sollst du arbeiten … aber am siebten Tag sollst du ruhen.“ Das hebräische Wort für „arbeiten“ ist dasselbe wie das „Dienen“ für JaHuWaH. Man bedient sich desselben hebräischen Wortes, wenn es um die Nachfolge JaHuWaHs im Unterschied zum Dienst an heidnischen Götzen geht (vgl. 2. Mose 20,5; Richter 10,16).
Wir unterscheiden meist zwischen den Handlungen und Tätigkeiten, die weltliche Dinge betreffen und solchen der Anbetung JaHuWaHs. Hinsichtlich des vierten Gebotes versucht man z.B., einen genau vorgegebenen Tag dem Buchstaben des Gesetzes gemäß zu halten. Viele legen die weltliche Arbeit zu einer exakt berechneten Minute am Freitagabend nieder, um sie dann wieder aufzunehmen, wenn die Sonne am Samstag untergegangen ist.
Nach dem Auszug aus Ägypten wurden Mose und das Volk die Zehn Gebote am Berg Sinai gegeben. Die Israeliten mussten eine wichtige und alles entscheidende Lektion lernen: Den Weg der Erlösung verstehen. Vor dem Sinai gab es dieses geschriebene Gesetz in diese Form nicht. Wir werden in den noch folgenden Beiträgen dieser Artikelserie darauf tiefer eingehen.
Für den Hebräer gab es keinen Unterschied zwischen profanen und „heiligen“ Tätigkeiten. Egal, welcher Arbeit man nachging, man schuldete dem Schöpfer die Ehre. Paulus erinnert die Gläubigen daran: „Ob ihr nun esst oder trinkt oder sonst etwas tut — tut alles zur Ehre Gottes!“ (1. Korinther 10,31). Den Kolossern führte er vor Augen: „Und was immer ihr tut in Wort oder Werk, das tut alles im Namen des Herrn … [JaHuWschuaH] und dankt Gott, dem Vater, durch Ihn.“ (Kolosser 3,17). Unser gesamtes Leben sollte Anbetung sein. Das heißt, mit unserem gesamten Leben dienen wir unserem Schöpfer, so wie für den Hebräer alles schöpferzentriert war. Der Psalmist schrieb:
„Ich habe … [JaHuWaH] allezeit vor Augen; weil Er zu meiner Rechten ist, wanke ich nicht. Darum freut sich mein Herz, und meine Seele frohlockt; auch mein Fleisch wird sicher ruhen.“ (Psalm 16,8-9)
Und so pries auch Hiob inmitten seines ruinierten Lebens den Namen JaHuWaH, ob er gibt oder wegnimmt (Hiob 1,21). Der Hebräer sieht alle Dinge des täglichen Lebens in Beziehung zu seinem Schöpfer JaHuWaH. Diese Gesamtheit zeigt sich auch im Menschen selbst. So bedeutet die Seele (nephesch) den gesamten Menschen als Einheit. Geist und Körper sind untrennbar miteinander verbunden. In der griechischen Gedankenwelt hingegen wird der Mensch dualistisch betrachtet. Es gibt die Seele/Geist und es gibt den Körper. So funktioniert auch unsere Schulmedizin.
Der Mensch wird nach dem Tod wieder zur Erde, aus der ihn der Himmlische Vater ursprünglich gemacht hat. Der Geist des Menschen geht wieder zu Ihm zurück. Das heißt, der Mensch weiß von nichts mehr (Psalm 146,4; Daniel 12,13). Der Zustand ist wie ein Schlaf bis zur Wiederauferstehung zum ewigen Leben oder zum ewigen Tod (Apostelgeschichte 24,15). Der Geist ist der Odem des Schöpfers, den er den Menschen einhauchte, nachdem Er ihn gebildet hatte. Die Seele ist der ganze Mensch. Im Ersten Buch Mose wird „Seele“ erklärt:
„Da bildete Gott … [JaHuWaH] den Menschen, Staub von der Erde, und blies den Odem [Geist] des Lebens in seine Nase, und so wurde der Mensch eine lebendige Seele.“ (1. Mose 2,7; Schlachter, Elberfelde. Menge-Übersetzung „zu einem lebenden Wesen“)
Die „Seele“ ist in der Bibel immer der ganze Mensch, der stirbt und auch wieder lebendig, wird, wenn Jahuschuah wiederkommt. (Hiob 10,34-35). Dem Wort „Seele“ wird außerhalb der Bibel ein etwas anderer Sinn gegeben. Die Vorstellung einer unsterblichen Seele kommt aus der griechischen Philosophie und ist dem Glauben des Alten sowie des Neuen Testaments völlig fremd. Es gibt keinen Begriff einer „Seele“, die vom Leib getrennt ist. Für „Leben“ und „Seele“ gibt es in der Bibel, sowohl im Alten wie im Neuen Testament nur ein einziges Wort: „nephesch“ im Hebräischen und „psyche“ im Griechischen. Es gibt viele Bibelstellen, wo das Wort nephesch im Deutschen mit „Seele“ übersetzt wurde, aber eindeutig den ganzen Menschen meint, oder es wird direkt „Mensch“ übersetzt (3. Mose 19,8; 4. Mose 31,19; Hesekiel 13,19; 18,20). „Seele“ ist einfach eine andere Bezeichnung für „Mensch“. Und das zeigt auch, dass der Mensch stirbt, und zwar vollständig. Der Körper verwest und der Geist geht zurück zu JaHuWaH. „Die Lebenden wissen, dass sie sterben werden; die Toten aber wissen gar nichts.“ (Prediger 9,5).
Im griechischen Denken wird die Welt abstrakt durch den Verstand begriffen, während der Hebräer die Welt konkret durch die Sinne wahrnimmt. Das zeigen Worte wie Ärger oder Intelligenz. Das Wort, das wir mit Ärger übersetzen, bedeutet für den Hebräer: „stark schnauben mit geblähten Nasenflügel“. Intelligenz ist für ihn die Fähigkeit zu hören. Das Ohr steht deshalb im Hebräischen für Intelligenz (z.B. 2. Mose 17,14; 1 Samuel 9,15; Offenbarung 2,7; 3,22).
Der antike Hebräer konzentriert sich nicht auf das Aussehen und die Form, sondern auf die Funktion und das Material, aus dem ein Objekt hergestellt ist. Man muss verstehen, wie etwas funktioniert und wie es geschaffen ist, nicht so sehr, wie es aussieht. Verwendet man ein anderes Material, wird daraus ein anderes Objekt. Für uns wäre es dasselbe Objekt, nur aus einem anderen Material. Als JaHuWaH Mose anwies, wie die Bekleidung des Hohepriesters Aarons angefertigt werden soll, liegt das Hauptaugenmerk auf dem Material, aus dem das Kleid bestehen sollte (2. Mose 28,4-42).
Bei der Beschreibung des Tempels Salomons steht ebenfalls nicht das Aussehen im Vordergrund, sondern die handwerkliche Ausführung (siehe Könige 6,1-30). Im Griechischen werden Bauten nach ihrer Schönheit und Form illustriert. Im Hebräischen werden sie als lebendige, menschliche Errungenschaften beschrieben. Es geht nicht darum, was der Mensch ist, sondern wie er handelt.
Besonders deutlich wird diese Tatsache auch im Standbild der Zukunftsvision Daniels (Daniel 2,31-36). Das Standbild, das Daniel in einem Traum sieht, ist nicht vom Aussehen geprägt, sondern vom Material, mit dem die verschiedenen Teile des Standbildes gefertigt sind. Das Aussehen ist absolut nebensächlich. Das zeigt sich in einem anderen Traum Daniels, wo dieselben Weltreiche dieses Mal anhand von Tieren beschrieben werden. Während es im ersten Traum um die Eigenschaft der Materialien geht, stehen im zweiten Traum die Eigenheiten und Charaktere der Tiere im Vordergrund. Typisch für das hebräische Denken wird dieselbe Prophetie an anderer Stelle von einem anderen Blickwinkel „durchleuchtet“. Aber in beiden Fällen geht es nicht um das Aussehen. Derselbe Sachverhalt könnte anhand von andern Objekten oder Lebewesen ein weiteres Mal beschrieben werden.
Es gibt im Hebräischen kein Wort für Form oder Umriss eines Gegenstandes, wie Quadrat oder Dreieck. In der griechischen und generell in unserer indogermanischen Sprachwelt werden Objekte nach dem Aussehen beschrieben. Der antike Hebräer beschreibt sie hingegen, wie sie funktionieren. Der Hebräer würde z.B. einen Stift so definieren, dass man mit ihm schreiben und zeichnen kann. Er beschreibt das Objekt mit einem Verb. Der Grieche verwendet Adjektive, wie: der Stift ist gelb, rund und lang. Der Grieche beschreibt das Objekt in Beziehung zum Gegenstand selbst, sowie in Beziehung zu ihm, dem Schreibenden.
In der hebräischen Denkweise interessiert nicht die Gestalt, sondern der Inhalt der Gestalt. Es wird nicht die tatsächliche Schönheit oder Hässlichkeit einer Person beschrieben, sondern der innere Charakter des Menschen. Wenn wir vom Gesicht einer Person sprechen, so verbinden wir es in Gedanken sogleich mit dem Aussehen. Für den Hebräer ist das Gesicht, so wie er es sieht, nicht das Entscheidende. „Gesicht zeigen“ bedeutet, wenn eine andere Person sich mir zuwendet. Diese Person sieht mich und spricht mit mir. Das Gesicht gehört zur ganzen Person, es wird nicht davon losgelöst gesehen.
So klingen die Hymnen bzw. Liebesbekundungen im Hohelied der Liebe für uns recht eigenartig, wenn der Schreiber den Hals seiner Geliebten beschreibt: „wie der Turm Davids, der in Terrassen gebaut ist: Tausend Schilde hängen daran, alles Schilde der Helden“ (Hohelied 4,4). Der Songschreiber illustriert hier nicht, wie genau der Hals der Geliebten aussieht, sondern bringt damit ihren Charakter zum Ausdruck. Ein Turm kann Stärke, Schutz oder auch Unerreichbarkeit bedeuten. Stufenweise zeigen die Schilder der Heldentaten ihre feststehende Kraft und ihren Mut, aber zeigt auch ihren Stolz.
Die hebräischen Sätze sind dem entsprechend anders strukturiert. In unserer Sprache sind die Sätze analytisch strukturiert. Die Bedeutung eines Satzes wird durch die Wortanordnung deutlich. Das Objekt oder das Subjekt wird vor dem Verb platziert. Das heißt, die Handlung, die durch das Verb ausgedrückt wird, ist zweitrangig. Im Hebräischen steht das Verb meist am Beginn eines Satzes, der auch betont wird. Ein Beispiel: „Der Prophet weissagt, dass ...“ (griechisch). „Weissagt der Prophet, dass ... “ (hebräisch).
Griechische Hauptwörter beziehen sich auf Menschen, Orte und Sachen. Hebräische Hauptwörter konzentrieren sich dagegen auf die Handlung und auf das Verhalten von Personen, Tieren, Orten und Sachen. Zum Beispiel nennen wir unsere Eltern Vater und Mutter, während ein Hebräer sich auf den Vater als denjenigen bezieht, der seiner Familie Stärke gibt und die Mutter als diejenige, die seine Familie zusammenhält.
Hinsichtlich des Schöpfers würden wir wie der Grieche sagen: Gott ist Liebe. Wir beschreiben für gewöhnlich Gott in Beziehung zu Gott selbst. Der Hebräer würde sagen: Gott liebt mich. Dadurch zeigen sich die Nähe und die Beziehung zwischen dem Schöpfer und dem Menschen.
Auch Grenzen um einen geometrischen Raum oder Ort gibt es im Hebräischen in dieser für uns geläufigen Form nicht. Für uns befindet sich eine Grenze zwischen zwei Gebieten oder sie begrenzt einen Raum oder einen Gegenstand. Die Begrenzung selbst gehört jedoch nicht dazu. Im hebräischen Denken sind Grenzen nie von Menschen gezogen, sie stecken Gebiete auch nicht ab, sondern gehören zum jeweiligen Gebiet. Die Grenze ist keine mathematische Linie, sondern eine natürliche Sache, wie ein Berg oder das Meer, welche ein Land eingrenzen (4. Mose 34,6). Im Hebräischen steht häufig wortwörtlich: „in allen Grenzen Ägyptens“ (1. Mose 47,21; 2. Mose 10,14.19); oder: „alle Grenzen der Philister“ (Josua 13,2), „alle Grenzen Israels“ (Richter 19,29). Im Deutschen wurde es für uns verständlich und korrekt so übersetzt: „Das ganze Land Ägypten“ oder „das gesamte Gebiet der Philister“ oder „ganz Israel“.
Wichtig im Zusammenhang des hebräischen Denkens ist der Zeitbegriff. Für den antiken Hebräer ist „Zeit“ nicht abstrakt oder eine gefühlte Zeit auf einer Zeitlinie. Vielmehr ist Zeit mit dem Raum der Natur und des Menschen verbunden. Die Zeitform ergibt sich im Hebräischen aus dem Zusammenhang, denn die hebräischen Verben geben die Zeitform nicht an. Im Kapitel „Wahrheit als sich entfaltender Plan in der Zeit“ wird das hebräische Zeitverständnis näher beleuchtet.
Soviel sei schon gesagt: Die biblische Heilsgeschichte ist die fortschreitende Entfaltung und Erfüllung auf ein Ziel hin, das Er gesetzt hat. Geschichte ist keine statische Zeit der Vergangenheit, sondern ist im Heilsplan lebendig. Die Zeit, in der wir leben, bilden mit der Vergangenheit und der Zukunft eine Einheit. Was JaHuWaH unseren Vorvätern getan hat und was Sein Sohn vor über 2000 Jahren vollbracht hat, wurde nicht nur für die Erzväter vollbracht, sondern auch für uns. Alles führt und spitzt sich auf das letzte große Ziel hin: Die Vereinigung mit unserem Erlöser und Bruder JaHuWschuaH und unserem Himmlischen Vater JaHuWaH.
Nächstes Kapitel 4: Wahrheit tun, Wahrheit geschieht