„Mit dem Herzen zu denken, ist die rechte Art für die Menschen.“ Diese Worte von Albert Schweitzer lassen sich erweitern: „Mit dem Herzen zu denken und zu handeln ist die rechte Art für die Menschen, wahrhaftig zu leben“. Das Herz thront damit über dem Verstand. Denn das Herz steht symbolisch vor allem für das Leben. Durch das Herz wird das Blut gepumpt, das den gesamten Körper am Leben hält.
Diese Ausarbeitung ist Teil der Artikelserie „Der Weg der Erlösung zurück zur Sabbatruhe“.
Inhalt dieses Artikels (Auf dieser Seite 6. Kapitel)
- Was ist Wahrheit? - Biblisch-hebräisches Denken
- Von der hebräischen zur griechischen Bibel
- Die Denkwelt der antiken Hebräer und Griechen
- Wahrheit tun, Wahrheit geschieht
- Treu, barmherzig, zuverlässig, beständig = Gerechtigkeit
- Herzenswahrheit – ein Beziehungsgeschehen
- Wahrheitserfüllung einer Verheißung
- Wahrheit als sich entfaltender Plan in der Zeitgeschichte
- Leben in der Wahrheit – Ein dringender Appell
Das Herz steht symbolisch vor allem für das Leben. Schon am 21. Tag der embryonalen Entwicklung beginnt das ansatzweise gebildete Herz zu pulsieren. Zu diesem Zeitpunkt ist der Mutter oft gar nicht bewusst, dass sie überhaupt schwanger ist. Zwei Wochen später entstehen schrittweise die Hirnstrukturen. Das Herz ist Leben und entsteht vor dem Gehirn.
Wenn der Mensch stirbt, dann tritt der Tod erst mit dem letzten Herzschlag ein, nicht mit dem Hirntod. Das Gehirn mag nach menschlicher Definition tot sein, das Herz kann trotzdem weiterschlagen. „Das Leben ist im Blut“, heißt es in der Bibel (3. Mose 17,11). Das Leben ist im Blut, weil das Herz das Blut in Bewegung setzt und den gesamten Menschen bis in die kleinste und entfernteste Zelle ernährt, um ihn am Leben zu halten. Das hebräische Wort für „Leben“ ist das Wort nephesch und bedeutet Lebensodem, Lebensgeist.
Der Allmächtige Schöpfergott ist es, der dem Menschen das Leben einhaucht. Das Herz fängt zu schlagen an. Nimmt Er Seinen lebenserhaltenden Geist zurück, hört das Herz zu schlagen auf. Der Mensch stirbt. Das Blut stockt, es ist kein Leben mehr vorhanden. Das ist das irdische Leben. Für ein zukünftiges ewiges Leben benötigen wir den Geist des Sohnes JaHuWschuaHs, der für uns durch den Tod gegangen ist. Das irdische Leben ist eine vorübergehende zeitweise leidvolle Erfahrung. Das ewige Leben ist es, das erstrebenswert ist. Jeder, der das verstanden hat, wird dem Tod keine allzugroße Bedeutung beimessen. Paulus erfasste diese alles übersteigende und „lebenserhaltende“ Erkenntnis, wenn er schreibt:
„Denn das Leben ist für mich der Messias, und das Sterben Gewinn.“ (Philipper 1,21)
Damit wird deutlich, dass in der Bibel das Herz symbolisch gleichweise für Wahrheit verwendet wird. So heißt es: „Lehre uns unsere Tage richtig zählen, damit wir ein weises Herz erlangen!“ (Psalm 90,12). Luther übersetzt es mit: „Auf dass wir klug werden.“ Das ist nicht falsch, denn dem Herzen wird im Altertum der Sitz des Verstehens, des Urteilsvermögens und der Weisheit zugeschrieben. Heute ordnen wir diese Eigenschaften unserem Gehirn zu, das sich erst nach dem Herzschlag entwickelt.
Das muss nicht bedeuten, dass die Menschen nicht wussten, dass im Gehirn Denkprozesse ablaufen. Es kann aber bedeuten, dass sie wussten, dass mit dem Herz das Leben beginnt und dass alles Denken und alle Verstandesfragen erst durch das Herz gefiltert werden sollten. Der weise König Salomo wusste, wie wichtig das Herz für ein verantwortungsvolles Regieren ist:
„So gib Du deinem Knecht doch ein verständiges Herz, dass er Dein Volk zu richten versteht und unterscheiden kann, was Gut und Böse ist. Denn wer kann dieses Dein großes Volk richten?“ (1. Könige 3,9)
Der Intellekt und das Empfinden, wie sehen, hören, fühlen und mitfühlen sind mit dem Herzen und dem Gewissen untrennbar verbunden. Jede Anweisung unseres Schöpfers und jede Entscheidung des täglichen Lebens muss im Herzen erfolgen:
„Und du sollst ... [JaHuWaH], deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft. Und diese Worte, die Ich dir heute gebiete, sollst du auf dem Herzen tragen ...“ (5. Mose 6,5-6)
„Und ... [JaHuWschuaH] sprach zu ihm: »Du sollst ... [JaHuWaH], deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Denken«.Das ist das erste und größte Gebot. Und das zweite ist ihm vergleichbar: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« [3. Mose 19,18]. An diesen zwei Geboten hängen das ganze Gesetz und die Propheten.“ (Matthäus 22,37-40)
„So fürchtet nun ... [JaHuWaH] und dient Ihm in Wahrheit [ämät], mit eurem ganzen Herzen; denn seht, wie mächtig Er sich an euch erwiesen hat!“ (1. Samuel 12,24)
Der Schöpfer erweist sich Seinen Geschöpfen als treu und „mächtig“ bzw. wirkungsreich. Folglich kann der Mensch Ihm wiederum vertrauen. Aber es liegt nicht am Menschen, blind und verstandesmäßig einen Satz von Gesetzen zu befolgen. Unsere Bestimmung ist es, dem beständig wirkenden Lebensspender in Wahrheit und Treue mit dem ganzen Herzen zu dienen.
„Das Herz des Weisen ist nach seiner Rechten, und das Herz des Toren nach seiner Linken gerichtet.“ (Prediger 10,2)
Schwerpunktmäßig ist die linke Hirnhälfte für das rationale, analytische, logische und lineare Denken zuständig. Die rechte Hirnhälfte ist ganzheitlich, bildlich, musisch, emotional und zeitlos orientiert. Gemäß dem Predigerwort sind wir nicht imstande, unseren Schöpfer durch unseren Verstand zu begreifen. Unser Verstand sowie unser logisches und analytisches Denken sollten immer dem Herzen dienen, und nicht umgekehrt. Unser eigener Verstand kann trügerisch sein. Deshalb ist es wichtig, den Geist unseres Schöpfers durch unser Herz sprechen zu lassen, um Sein Wort in der Bibel verstehen zu können.
„Wer in Unschuld wandelt und Gerechtigkeit übt und die Wahrheit redet von Herzen ...“. (Psalm 15,2)
Die Menge-Übersetzung gibt diesen Vers so wieder: „Wer unsträflich wandelt und Gerechtigkeit übt und die Wahrheit redet, wie’s ihm ums Herz ist ...“. Der Dichter, Jurist und Politiker Ludwig Uhland (1787-1862) bringt dieses wahrhaftige Leben in Übereinstimmung mit dem Herzen so zum Ausdruck:
„Lass deine Taten sein wie deine Worte. Und deine Worte wie dein Herz.“
Es ist vordergründig immer das Herz, nicht der Verstand. Der Verstand ist nötig. Aber erst müssen die Gedanken des Verstandes durch das Herz gefiltert werden. Damit zeigt sich auch hier ein völlig anderer Wahrheitsbegriff als im griechischen und unserem modernen Denken. Das biblische Wahrheitsverständnis beschreibt keinen abstrakten Sachverhalt, sondern ein menschliches oder göttliches Verhalten. Der Schöpfer IST nicht, sondern Er begibt sich in Beziehung zu Seinen Geschöpfen.
Als Mose den Allmächtigen fragte, welchen Namen er dem Volk mitteilen soll, bekam er die Antwort „Ich bin, der Ich bin“ (2. Mose 3,14). Zumindest lautet so die Übersetzung aus dem Hebräischen. Die Bedeutung des Namens JaHuWaH hat eine viel tiefer gehende Bedeutung. Man könnte auch übersetzen: „Ich bin der, der Euch führt. Ich bin der, der Euch retten wird. Ich bin der, der fortwährend für euch wirkt. Ich bin der, der euch begegnen möchte. Ich bin der, der mit und bei Euch ist“. Weitere Ausführungen hierzu in der Ausarbeitung: „Unser Schöpfer – wie ist Sein Name? Und wie ist der Name Seines Sohnes?“
Gottes Wirken und Seine Beziehung mit den Menschen stehen im Mittelpunkt des biblischen Denkens. Die Wahrheit geschieht. Sie geschieht in der Begegnung mit dem Messias, unserem Erlöser. In Seinem menschlichen Leben, in seiner Begegnung und Beziehung mit den Menschen bewahrheitet sich die Verheißung JaHuWaHs. Sein Sohn JaHuWschuah, der sich unter anderem als „die Wahrheit“ vorstellt (Johannes 14,6), begegnet den Menschen persönlich. Diese Wahrheit bekundet sich also erst in der Beziehung des Einzelnen mit Ihm. Es ist etwas völlig anderes als Theologie, Dogmen oder ein Gesetzeswerk. Damit hat es überhaupt nichts zu tun. JaHuWschuaH wird zum Mittelpunkt unseres Lebens. Er wird zu „unserem Gott“ und wirkt mit Seinem Geist. Er zeigt jedem Einzelnen, was zu tun ist und welchen Weg er zu gehen hat. Das ist „lebendige“ Wahrheit. Es ist keine Wahrheit, die aus abstrakten Ideen oder aus einem Gesetzeskodex besteht.
Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) verstand „Wahrheit“ in einem überaus hebräisch-biblischen Sinn: als Herzensbeziehung. Bonhoeffer wirkte in der dunkelsten Geschichte Deutschlands. Er kämpfte gegen Versuche einer Gleichschaltung von Lehre und Organisation der Deutschen Evangelischen Kirchen (DEK) mit dem Nationalsozialismus. Er erklärt „Wahrheit“ als eine auf Liebe, Treue und Gerechtigkeit basierende Wahrheit. Er veranschaulicht dies mit einem Ereignis aus dem Alltagsleben eines Schulkindes:
„Ein Kind wird von seinem Lehrer vor der Klasse gefragt, ob es wahr sei, dass sein Vater oft betrunken nach Hause komme. Es ist wahr, aber das Kind verneint es. Es ist durch die Frage des Lehrers in eine Situation gebracht, der es noch nicht gewachsen ist. Es empfindet nur, dass hier ein unberechtigter Einbruch in die Ordnung der Familie erfolgt, den es abwehren muss. Was in der Familie vorgeht, gehört nicht vor die Ohren der Schulklasse. Die Familie hat ihr eigenes Geheimnis, das sie zu wahren hat. Der Lehrer hat die Wirklichkeit dieser Ordnung missachtet. Das Kind müsste nun in seiner Antwort einen Weg finden, auf dem die Ordnung der Familie und der Schule in gleicher Weise gewahrt bliebe. Es kann das noch nicht, es fehlt ihm die Erfahrung, die Erkenntnis und die Fähigkeit des rechten Ausdrucks. Indem es die Frage des Lehrers einfach verneint, wird die Antwort zwar unwahr, aber sie gibt doch zugleich der Wahrheit Ausdruck, dass die Familie eine Ordnung sui generis [einzigartig] ist, in die der Lehrer nicht berechtigt war, einzudringen. Man kann nun zwar die Antwort des Kindes eine Lüge nennen; trotzdem enthält diese Lüge mehr Wahrheit, d. h. sie ist der Wirklichkeit gemäßer, als wenn das Kind die Schwäche seines Vaters vor der Schulklasse preisgegeben hätte. Dem Maße seiner Erkenntnis nach hat das Kind richtig gehandelt. Die Schuld als Lüge fällt allein auf den Lehrer zurück. Ein erfahrener Mensch an der Stelle des Kindes hätte unter Zurechtweisung des Fragenden auch die formale Wahrheitswidrigkeit der Antwort vermeiden können und damit das »rechte Wort« in der Situation gefunden.“
Nach Maßgabe eines absoluten Wahrheitsanspruchs, bei dem die Wirklichkeit mit dem Gesagten übereinstimmen muss, hat das Kind gelogen. Hier aber versucht der Schüler, die Beziehung zu seiner Familie und vor allem zu seinem Vater nicht zu verletzen. Es stand treu zur Familie und hat von diesem Wahrheitsverständnis her „wahr gesprochen“. Der Lehrer hingegen war dabei, das Kind und seine Familie vor der Klasse bloßzustellen.
Unserem Gott JaHuWaH geht es ebenfalls um Beziehung. Er will die durch die Sünde zerbrochene Beziehung zu Seinen Geschöpfen wieder herstellen. Er hat in Seiner großen Herzensgüte den Weg dafür jedem Menschen geebnet. JaHuWschuaH im Herzen bedeutet deshalb, dass wir Ihm die Leitung unseres Lebens übergeben. In der Bibel wird der Menschensohn deshalb häufig als „Hirte“ bezeichnet. Ein Hirte hütet die Schafe. Die Gläubigen werden als „Schafe“ bezeichnet, weil sie Ihm „blind“ folgen, wo immer Er hingeht. Sie sehen mit dem Herzen, weil Er dort mit Seinem Geist gegenwärtig ist. In der Welt gibt es zahlreiche Schafe, aber sie folgen irdischen Führern. Sie sind den Lügen der Politik genauso hörig, wie sie blind religiösen Leitern folgen. Sicher und blind dürfen wir aber nur einen einzigen Hirten folgen: JaHuWschuaH.
Gleichweise gefährlich ist es, wenn der Bibelgläubige nur verstandesmäßig Sachverhalte und Aufgaben erfasst. Denn „wer in Glaubenssachen den Verstand befragt, kriegt unchristliche Antworten“, schrieb einst Wilhelm Busch. Der Verstand kann uns in die Irre führen. Schon deshalb, weil jede Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln und Standpunkten betrachten werden kann. Außerdem wird jeder Mensch im Laufe seines Lebens unterschiedlich geprägt: durch Abstammung, durch genetische Veranlagung, durch die kulturelle und gesellschaftliche Umgebung, durch die Erziehung, durch die Ausbildung sowie durch negative bzw. positive Erlebnisse. Auf eine Frage kann es deshalb zu mehrfachen Antworten kommen, die alle nach irdischem Denken nicht falsch sein müssen.
Häufig halten wir auch etwas für wahr, weil wir insgeheim wünschen, es sei so. Mit dem Verstand erklärbar ist alles. Der Verstand kann uns vieles erkennen lassen. Wir können damit das Richtige vom Falschen unterscheiden. Lässt sich damit aber das Gute vom Bösen bzw. die Lüge von der Wahrheit trennen? Dazu braucht es eine lebendige Herzensbeziehung mit unserem Schöpfer und Erlöser JaHuWschuaH. Die Wahrheit lebt so im Herzen des Menschen.
„Denn Gott, der dem Licht gebot, aus der Finsternis hervorzuleuchten, er hat es auch in unseren Herzen licht werden lassen, damit wir erleuchtet werden mit der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht ...[JaHuWschuaH, dem Messias].“ (2. Korinther 4,6)
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