Kaiser Konstantin der Große hatte einen großen Einfluss auf die neue synkretistische Religion des Christentums im 4. Jahrhundert. Es war vor allem dieser Kaiser, der mithilfe der Bischöfe in Rom den Sonnengott Sol invictus in gewisser Hinsicht dem biblischen Messias „überstülpte“. Konstantin stattete ihn mit Elementen des Sonnengottes aus, der von nun an als Jesus Christus im kaiserlichen Rom verehrt wird. In der kirchlichen Ikonografie scheint Sol invictus bis heute durch Christus hervor.
Teil 11 der Artikelserie "Wer ist Jesus Christus"
Inhaltsverzeichnis der gesamten Artikelserie
- Einleitung (1. Teil)
- Die ersten „Christen“ in Antiochia... (2. Teil)
- ... und der Hindu-Erlöser Krishna (3. Teil)
- Exkurs: Wer ist „Isa“ im Koran? (4. Teil)
- Chrestus, der „Gute Gott“ (5. Teil)
- Vom „Guten Gott“ zum Gesalbten (6. Teil)
- Der Gesalbte Christ und der ägyptische Totenkult KRST (7. Teil)
- Die Entwicklung der „Nomina sacra“ zu „Iesus Christus“ (8. Teil)
- Die Endung „sus“ - Gott Dionysus, Sohn des Zeus (9. Teil)
- Der Dionysus des Nordens: Hesus (10. Teil)
- Von Sol invictus zu Jesus Christus (11. Teil)
- Das Christogramm, das Kreuzzeichen und das Malzeichen des Tieres (12. Teil)
- Schluss
Von Sol invictus zu Jesus Christus
Ein Studium der Kaiserzeit in Griechienland und Rom vor und nach unserer Zeitrechnung zeigt deutlich, wie es zum Erlöser und Gott Jesus Christus kommen konnte. Es wird nachvollziehbar, wie die alten Göttermythen und Philosophien der verschiedenen Kulturen in dieser Gottperson des Jesus Christus aufgingen. Kaiser Konstantin der Große war derjenige, der äußerst diplomatisch und geschickt den biblischen Messias mit Eigenschaften des Sonnenkultes ausstattete und dem Volk präsentierte. Er nutzte die religiösen Strömungen für seine eigenen politischen Ziele aus und kreierte mit Hilfe der ersten Bischöfe in Rom eine neue Religion.
„Die Übernahme und Eingliederung von heidnischen Elementen in die neue Religion war ein wesentlicher Bestandteil der Ausformung christlicher Mythologie in der Kaiserzeit. Die Verbindungsstränge, die vom Sonnenkult zum Christentum laufen, sind zahlreich und das Fortdauern paganer, solarer Traditionen ist noch bis in die Zeit nach dem Ende heidnischer Götterkulte im Römischen Reich unverkennbar.“1
Zu Konstantins Zeit fand eine Transponierung bzw. Umwandlung statt, welche die religiösen Vorstellungen der Heiden und der Bibelgläubigen des vierten Jahrhunderts erfolgreich vereinte. Viele Eigenschaften und Merkmale der paganen Religion wurden auf den biblischen Erlöser und auf das Evangelium übertragen.
„Dass dieser sensible Prozess überhaupt gelungen ist, und in der Art der Durchführung allem Anschein nach auf Akzeptanz in der Bevölkerung gestoßen ist, ist die große schöpferische, politische Leistung Konstantins und seiner Programminventoren. […] Relativ unproblematisch war zurzeit Konstantins und darüber hinaus das philosophische Heidentum. Der vorherrschende Neuplatonismus mit seiner Affinität zum Monotheismus gestattete es, unter der Maske literarischer Gelehrsamkeit die alte Religion weiter zu pflegen“.2
In der Tat, eine unvergleichliche Meisterleistung dieses Kaisers. Dabei spielte der Sonnengott der antiken Mythologie Sol (Sonne) eine entscheidende Rolle. Bekannt ist er vor allem in seiner seit dem 2. Jahrhundert u.Z. gebräuchlichen Erscheinungsform als Sol invictus (unbesiegter Sonnengott). Als Sol Invicto Deo ist diese Bezeichnung inschriftlich erstmals 158 u.Z. auf einem Altar bezeugt.3 Ab dem 2. Jahrhundert trifft man die Inschrift Sol Invictus Mithras an. Sol erscheint auf römischen Münzen erstmals ungefähr im späten 3. Jahrhundert v.u.Z. mit einem Strahlenkranz umgebenden Haupt, so wie sie sich bereits auf weit älteren etruskischen Spiegeln zeigt. Eine Münze von 135 v. Chr. zeigt ihn auf dem mit vier Pferden bespannten Sonnenwagen (Quadriga).
Seit Caracalla, der von 211 bis zu seinem Tod 217 u.Z. römischer Kaiser war, wird Sol auch mit der Weltkugel in der Hand abgebildet. Von 218-222 u.Z. hatte Elagabal (benannt nachdem syrischen Gott Elagabal), der Sohn einer Elagabal-Priesterin, das Kaiseramt im Römischen Reich inne. Er führte den syrischen Elagabal-Kult in Rom als Staatsreligion ein. So kam es vorübergehend zu einer Vermischung mit dem bereits bestehenden Kult des Sol Invictus.
Im Sol Invictus Kult des Elagabal verehrte man einen heiligen Stein, den der Gott vom Himmel herabgesandt haben soll, sehr ähnlich dem Stein der Kaaba in Mekka, den die Muslime verehren. Man kann wohl annehmen, dass es denselben kultischen Hintergrund hat. Zu Ehren dieses Steins ließ man einen großen Tempel in Rom errichten, das Elagaballium. Viele Römer lehnten jedoch den syrischen Kult ab. Mit der Ermordung Kaiser Elagabals 222 verschwand er in dieser Form aus Rom. Der Stein wurde wieder in den Sol-Elagabal-Tempel von Emesa gebracht. Der einheimische Sol-Kult blieb bestehen.
Auch Kaiser Aurelian, der 270 u.Z. zum Kaiser gekrönt wurde, war ein Verehrer des Sonnengottes Baal (Elagabal). Er nannte ihn jedoch nach dem lateinischen Namen Sol Invictus. Er betrachtete den Sonnengott als seinen persönlichen Schutzherren und zwei Jahre nach seiner siegreichen Schlacht im Jahr 272 in Emesa erhob er Sol zum „Herrn des Römischen Reichs“ (dominus imperii Romani), richtete für ihn einen Staatskult ein und baute ihm einen Tempel in Rom. Der Tempel wurde am 25. Dezember 274 eingeweiht und gleichzeitig wurde der 25. Dezember als der Geburtstag des Sonnengottes eingeführt.
Am 25. Dezember deshalb, weil dieser Tag seit der Kalenderreform von Julius Caesar 46 v.u.Z. als der kürzeste Tag des Jahres festgelegt wurde, der Tag der Wintersonnenwende. Da ein Jahr des nach Julius Caesar benannten Julianischen Kalenders im Mittel etwas länger ist als ein astronomisches Jahr, wanderte die Sonnenwende jedoch im Lauf der folgenden Jahrhunderte nach vorn. So erreichte sie in der Spätantike den 21. Dezember. Die astronomische Verschiebung wurde bei der Einführung des Geburtstagsfestes jedoch nicht berücksichtigt; man hielt sich vielmehr an die Überlieferung, nach der ab dem 25. Dezember die Tage wieder länger werden.
Erstmals wird der 25. Dezember, der dies natalis Solis invicti, im Chronographus 4 im Jahr 354 u.Z. als Datum der Geburt Christi erwähnt.5. Dieser Tag ist bis heute der christliche Weihnachtsfeiertag geblieben, obwohl der biblische Messias aufgrund verschiedener biblischer Hinweise nicht zu dieser Jahreszeit geboren worden sein konnte. Zumindest gibt es keine Anhaltpunkte, dass er am 24. oder 25. Dezember auf die Welt kam. Ein Notizschreiber (Scholiast) des syrisch-orthodoxen Theologen und Bischofs Dionysius bar Salibi († 1171) beschreibt, wie die Christen diesen heidnischen Feiertag für ihre eigene Religion annahmen:
„Nach feierlichem Herkommen pflegten die Heiden am 25. Dezember das Geburtsfest des Sonnengottes … zu feiern und zur Erhöhung der Festlichkeit Lichter anzuzünden. An diesen festlichen Bräuchen liessen sie auch das Christenvolk theilnehmen. Da nun die Lehrer der Kirche die Wahrnehmung machten, dass die Christen an diesem Feste hingen, kamen sie nach reiflicher Erwägung zu dem Entschluss, an diesem Tag [...] fortan das Fest des wahren Aufgangs (dh. Geburt), am 6. Januar aber das Fest der Erscheinung (Epiphanie) zu feiern.“6
Die nachfolgenden Kaiser Probian und Diokletian führten den Sonnenkult des Sol Invictus weiter, auch wenn für sie die Götter Jupiter und Hercules im Vordergrund standen. In einer römischen Münze von 276 u.Z. ist auf der Rückseite der Sonnengott mit dem Schriftzug „Sol Invictus“ eingraviert. Der Sonnengott mit seiner Strahlenkrone hält die Zügel der Rosse des Streitwagens in der Hand. Der Wagen ähnelt dem Streitwagen, den der König von Juda neben all den Götzenstandbilder vernichten ließ, wie uns in 2. Könige berichtet wird:
„Und er schaffte die Rosse ab, die die Könige von Juda der Sonne geweiht hatten, beim Eingang des Hauses ... [JaHuWaH], bei der Kammer Netan-Melechs, des Kämmerers, die im Anbau war; und die Wagen der Sonne verbrannte er mit Feuer.“ (2. Könige 23,11)
Mit Licinius (römischer Kaiser von 308 bis 324) und Konstantin der Große (Kaiser von 306 bis 337 u.Z.)7 nahm im 4. Jahrhundert die Sol-Verehrung noch zu. Jetzt fand auch die Bezeichnung Sol Invictus Mithras die kaiserliche Anerkennung. Die Erneuerung eines Heiligtums des Sol Invictus Mithras durch das Kaiserkollegium anlässlich der Kaiserkonferenz von Carnuntum im Jahr 308 ist inschriftlich bezeugt.8 Kaiser Konstantin ließ eine Reihe von Münzen mit der Aufschrift „Sol Invictus“ bedrucken. Die Münzen zeigen auf der Vorderseite Konstantin selbst und auf der Rückseite „Sol Invicto Comiti“.Die Inschrift bedeutet: “Unbesiegte Sonne, Genosse [Konstantins]“. Der Sonnengott ist mit einem Strahlenkranz als Krone und mit einem Globus in der Hand abgebildet. Mit der anderen Hand gibt er einen Segen.
Für Kaiser Konstantin war Sol invictus der persönliche militärische Schutzgott. Wie bereits im frühen Prinzipat9 ließ er sich selbst als Sonnengott abbilden. Er übernahm nicht nur die äußerliche Erscheinung des Sonnengottes, sondern auch dessen Attribute: den Globus in der linken Hand sowie den Nimbus und die Strahlenkrone.10 Dieser Schutzgott war es auch, der Konstantin bei der Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahr 312 beistand. Es ist nicht anzunehmen, dass Konstantin den biblischen Messias angenommen hat, wie zeitweise heute noch propagiert wird. Er mag diese Vision mit dem Zeichen IHS, einem Staurogramm oder ein Kreuz gehabt haben, wobei es darüber unterschiedliche Berichte gibt. Zudem darf man annehmen, dass er das Zeichen IHS für „Jesus Christus“ angenommen hat – Jesus Christus als einen neuen synkretistischen Gott des Römischen Reiches.
Dass Konstantin seine Sonnengottverehrung nicht aufgegeben hat, zeigen z.B. Münzen, die nach der angeblichen Konstantinischen Wende (312 u.Z.) gedruckt wurden. So ließ er nach dem 1. März 317 sowohl Goldprägungen für Antritts- und Siegesdonative11 mit dem Kriegsgott Mars im Reversbild drucken als auch Prägungen mit Sol Invictus. In den Jahren 319 bis 324 kam es zu einer erneuten, umfassenden Propagierung des Schutzgottes Sol invictus, was besonders nach dem Sieg über Licinius im Jahr 324 in der gesteigerten Münzprägung mit dem Sonnengott deutlich wird.12
„Die römischen Kaisermünzen entsprangen einer öffentlichen Institution (so wie heute die Briefmarken) und waren kein Spiegel des inneren Lebens des Fürsten. Sol invictus und die anderen heidnischen Götter figurieren deshalb auf den Münzen, weil die Fassade des konstantinischen Reiches offiziell heidnisch blieb, nicht weil Konstantin mehrere Götter in seinem konfusen Hirn verwechselt hätte.“13
Konstantin hat weder den Sonnengott Sol invictus noch den Gott Jupiter/Zeus aufgegeben. Er hat diese lediglich in „Jesus Christus“ aufgehen lassen. An einer ernsthafte Bekehrung Konstantins kommen zudem Zweifel auf, was sein Lebenswandel betrifft. Im Jahr 326 ließ er seinen Sohn Crispus hinrichten und beseitigte seine Gattin Fausta. Der heidnische Historiker Eutrop berichtete ca. 370 zudem, dass Konstantin neben seiner Frau auch „etliche Freunde“ ermorden ließ.14 Der Kirchenschriftsteller Eusebius berichtet, dass Konstantins Taufe als ein „göttlicher Übertritt zum Höheren“ inszeniert wurde. Er soll gesagt haben, dass er nun „Teil am göttlichen Licht“ habe. Er setzte sich selbst mit Christus gleich, was seine Beerdigung zeigte. Seinen Sakrophag ließ er in der eigens errichteten Apostelkirche im Zentrum von zwölf Säulen mit den Bildnissen der Apostel aufstellen – sechs Grabstellen zu seiner Rechten, sechs zu seiner Linken.15
Konstantin wurde so symbolisch seinem „Schutzgott Christus“ angeglichen und konnte „zum Zentrum einer personalisierten kultischen Verehrung werden, die in Form regelmäßiger Messen in der Apostelkirche durchgeführt wurde.“16 Wie Eusebius in der Vita Constantini berichtet, hat der Kaiser diesen Kult für sich und die Apostel an seinem Grab in der Apostelkirche angeordnet und ließ auch einen Opferaltar dort errichten. Ein Priester soll dem Kaiser vorausgesagt haben, dass er nach seinem Tod gemeinsam mit Christus herrschen würde.17 Nach 325 wurde zwar die Nennung und Darstellung des Sonnengottes eingestellt, „aber einzelne Aspekte der Sol-Ikonografie wie die Strahlenkrone, der Sol-Gestus und der Nimbus wurden jedoch beibehalten und prägten nachhaltig nicht nur das Herrscherbild des christlichen Kaisers, sondern auch die christliche Repräsentationskunst.“18
„Diese und weitere Elemente der traditionellen Sol-Ikonografie, etwa die Darstellung des Herrschers als Lenker des Sonnenwagens, haben sich teilweise verselbständigt und so das Verschwinden Sols im Münzbild und in den Legenden überdauert, ohne zugleich ihre traditionelle Verbindung zur Sol-Symbolik gänzlich eingebüßt zu haben. In der kaiserlichen Herrschaftspräsentation spielte Sol noch nach der endgültigen Einstellung der Sol-Prägungen eine nicht zu unterschätzende Rolle. In seiner neu ausgebauten Residenzstadt Konstantinopel etwa ließ Konstantin eine weithin sichtbare Statue auf einer Porphyrsäule errichten, die ihn […] mit Globus und Strahlenkrone zeigte – evtl. versehen mit einer Widmungsinschrift, die den Kaiser mit der Sonne verglich -, und gut bezeugt ist auch der Plan des Kaisers, einen Sonnengott geweihten Obelisken aus Theben nach Konstantinopel zu überführen. […] Selbst die Schriften des Bischofs Eusebius spiegeln die intensive Sonnensymbolik der letzten Regierungsjahre Constantins wider.“19
Während Gott Elagabal nie in Menschengestalt erscheint, zeigt sich der Sol Invictus Aurelians und seiner Nachfolger gewöhnlich als bartloser Jüngling mit Strahlenkranz. Er ist nur mit einem Mantel bekleidet, die rechte Hand erhoben, in der Linken trägt er die Peitsche oder die Weltkugel. Aus diesem Sonnenkult wurde nicht nur der 25. Dezember als Geburtstag „Christi“ übernommen, sondern auch viele dieser ikonographischen Aspekte, wie die Sonne.
„Nicht nur wurde die Büste des Sol selbst in die christliche Bildkunst integriert, sondern in Rom das Motiv eines Christus verwendet, der unmittelbar an den Sonnengott angeglichen worden war (Christus Helios).“5
Abbildungen des personifizierten Sonnengottes zeigen sich im 3. Jahrhundert gelegentlich auf christlichen Gräbern. Berühmt ist ein Gewölbemosaik aus derselben Zeit im Mausoleum in der vatikanischen Nekropole unter dem Petersdom in Rom. „Es zeigt einen als Christus zu deutenden Sol mit Nimbus [Heiligenschein] und Strahlenkranz im von Ost nach West fahrenden Sonnenwagen; in der linken Hand hält er die Weltkugel. Diese Darstellung entspricht genau der traditionellen Sol-Ikonographie.“21 In einer katholischen Enzyklopädie heißt es:
„Der Sol Invictus wurde von den Christen in einem christlichen Sinn adaptiert, wie es der Christus als Apollo-Helios zeigt, der in einem Mausoleum (ca. 250) unter der St. Peters Kirche im Vatikan entdeckt wurde.“22
Wie Dirk Schümer in der Zeitschrift FAZ schreibt, widmeten die Bildhauer den einst strahlenden Apollojüngling in einen athletischen Christus um.23 Ein Goldring aus Ägypten der Kaiserzeit zeigt ebenfalls „wie unproblematisch die Identifikation von Christus mit dem paganen Gott gewesen sein dürfte“. Auf der Oberseite ist der Gott Sol mit Strahlenkrone, Peitsche und der erhobenen Rechten abgebildet. Auf der Rückseite ist hingegen eine christliche Weihinschrift eingraviert: „Iesus Christus, Gabrie(l), Anania, Ame(n)."24
Auch Jahrhunderte später scheint die Kirche darin keinen Widerspruch zu sehen. Vergleiche die Münze von Kaiser Konstantin mit der Münze von Papst Leo XII. von 1825. Auf der Rückseite zeigt sich auch auf der Papstmünze eine Figur Sol Invictus. Anstelle der Erdkugel in der linken Hand trägt diese das Kreuz. Die rechte Hand formt den „Segen“ wie er auch auf der Konstantin-Münze dargestellt ist. Auch die Krone mit den Sonnenstrahlen fehlt nicht.
Konstantins “Bekehrung” kann als eine erneute Hingabe an den Sonnengott gedeutet werden, den er von nun an Jesus Christus nennt. Das Heidentum war nicht verschwunden, sondern ging ganz einfach in der neuen Religion des Christentums auf.
Konstantin behauptete, dass er ein „ungewöhnliches Phänomen“ sah, als er bei der entscheidenden Schlacht in die Sonne schaute: ein Kreuz oder Chi-Rho-Symbol. Später in der Nacht träumte er von einem jungen Mann, von dem er annahm, er war „Apollo (der Sonnengott) oder Christus selbst“.25 Daraufhin wurden am nächsten Morgen Kreuze auf die Banner der Truppen gemalt. Für Konstantin schien Christus der Sohn Apollos zu sein.
In weiterer Hingabe an den Sonnengott verankerte Konstantin im Jahr 321 den Tag der Sonne per Gesetz als bürgerlichen Feiertag.26 Er war in Rom neben dem Saturnstag (Samstag) bereits der offizielle „Ruhetag“.27 Insgesamt formte Kaiser Konstantin mit Hilfe der römischen Bischöfe einen „Gott“ und „Erlöser“ in einer universalen Religion, mit dem sich die meisten Menschen des Römischen Reiches identifizieren oder zumindest abfinden konnten.
„Im zweiten Jahrhundert war das Bündnis zwischen dem Platonismus und dem Christentum so vollständig, dass derselbe Mann den Heiden als Heide erschien und den Christen als Christ. Die römische Armee bestand damals aus Heiden und Christen und als die Armee von Marcus Antonius durch ein angebliches Wunder gerettet wurde, schrieben die Heiden das Wunder dem Jupiter und die Christen schrieben es Jesus zu […] Als Konstantin verkündigte, dass er das Kreuz in den Wolken gesehen hatte, verehrten es die Christen und die Heiden gemeinsam.”28
Seit Julius Cäsar wurden alle Römischen Kaiser zum Pontifex Maximus ernannt und damit zu den Oberhäuptern des mithraischen Mysterienkultes. Nachdem Kaiser Gratian diesen Titel aus christlichen Gründen29 376 u.Z. verweigerte, beanspruchte ein paar Jahre später erstmals ein Bischof in Rom, Papst Damasus I. (305 bis 383 u.Z.), diesen Titel für sich. Seit dieser Zeit führen die römisch-katholischen Bischöfe und Päpste diesen heidnischen Titel. Man könnte sie damit auch als die obersten Priester bzw. Stellvertreter der heidnischen Götter auf Erden einordnen. Der Naturwissenschaftshistoriker und Religionswissenschaftler Werner Papke schreibt:
„Die Kirche Roms feiert seit 354 bis heute am 25. Dezember dieses Einweihungs-Weinhnachts-Fest des Henoch-Mithras als Fest des unbesiegten Sonnengottes Mithras, dem sie den Namen Jesus gab. […] Der römische Mithras wurde nicht lange nach der entscheidenden Schlacht Konstantins gegen seinen Rivalen Maxentius an der Milvischen Brücke am 27. Oktober 312 unter dem Namen ‚Jesus“ in die konstantinische Staatskirche eingeführt, deren Oberhaupt Kaiser Konstantin als ‚Pontifex Maximus‘ selber war.“30
Die Visionen des Johannes im letzten Buch der Bibel zeigen diese tödliche Entwicklung der ausgeklügelten heidnisch-christlichen Religion auf und warnen vor dem falschen Messias im „Malzeichen des Tieres“.
Lesen Sie darüber im nächsten Artikel: Das Christogramm, das Kreuzzeichen und das Malzeichen des Tieres
1 Stephan Berrens, Sonnenkult und Kaisertum von den Severern bis zu Constantin I. (193-337 n. Chr.), Franz Steiner Verlag, Stuttgart, 2004, S. 27
2 Harry Noormann (Hrsg.), Arbeitsbuch Religion und Geschichte – Das Christentum im interkulturellen Gedächtnis, 1. Bd., Verlag W. Kohlhammer Stuttgart, 2009, S. 102
3 siehe Foto auf der Epigraphik Datenbank von Manfred Clauss / Anne Kolb / Wolfgang A. Slaby: http://db.edcs.eu/epigr/bilder.php?bild=PH0008364
4 Der Chronophagus ist eine moderne Bezeichnung für einen spätantiken Codex aus dem 4. Jahrhundert
5 Stephan Berrens, Sonnenkult und Kaisertum von den Severern bis zu Constantin I. (193-337 n. Chr.), Franz Steiner Verlag, Stuttgart, 2004, S. 28
6 Übersetzung Hermann Usener: Sol Invictus. In: Rheinisches Museum für Philologie, Bd. 60, 1905, S. 466, abgerufen am 18.06.2017 von https://de.wikipedia.org/wiki/Sol_(römische_Mythologie)
7 Nach Auflösung der römischen Tetrarchie (Viererherrschaft) 324 u.Z. regierte Konstantin der Große das Römische Reich alleine.
8 CIL 3, 4413 = Dessau, Inscriptiones Latinae selectae Nr. 659, abgerufen am 18.12.2018 von https://de.wikipedia.org/wiki/Sol_(römische_Mythologie)
9 Als Prinzipat wird die Herrschaftsstruktur des Römischen Reiches in der frühen und hohen Kaiserzeit (27 v.u.Z. bis 284 u.Z.) bezeichnet, die von Kaiser Augustus eingeführt wurde. Der Kaiser stand an der Spitze der Herrschaft und regierte wie ein Monarch als Vertreter des Römischen Reiches. Das lateinische principes bedeutet der Erste. Augustus nannte sich „Erster Bürger im Staat“.
10 Johann Wienand, Der Kaiser als Sieger – Metamorphosen triumphaler Herrschaft unter Constantin I., Akademie Verlag Berlin, 2012, S. 192, 297
11 Ein Donativ war im Römischen Reich ein Geldgeschenk, das die Kaiser unter die Soldaten bzw. Legionen verteilten. Es sollte die Dankbarkeit für die entgegengebrachte Gunst ausdrücken oder wurde zur Bestechung für das Wohlwollen eingesetzt, das von ihnen erwartet wurde.
12 Johann Wienand, Der Kaiser als Sieger – Metamorphosen triumphaler Herrschaft unter Constantin I., Akademie Verlag Berlin, 2012, S. 214, 290, 294
13 Paul Veyne, Als unsere Welt christlich wurde: Aufstieg einer Sekte zur Weltmacht, C.H. Beck, 2011, S. 195; Hervorhebung hinzugefügt.
14 Harry Noormann (Hrsg.), Arbeitsbuch Religion und Geschichte – Das Christentum im interkulturellen Gedächtnis, 1. Bd., Verlag W. Kohlhammer Stuttgart, 2009, S. 92
15 Johann Wienand, Der Kaiser als Sieger – Metamorphosen triumphaler Herrschaft unter Constantin I., Akademie Verlag Berlin, 2012, S. 464
16 Johann Wienand, Der Kaiser als Sieger – Metamorphosen triumphaler Herrschaft unter Constantin I., Akademie Verlag Berlin, 2012, S.465
17 Ebenda
18 Johann Wienand, Der Kaiser als Sieger – Metamorphosen triumphaler Herrschaft unter Constantin I., Akademie Verlag Berlin, 2012, 314
19 Johann Wienand, Der Kaiser als Sieger – Metamorphosen triumphaler Herrschaft unter Constantin I., Akademie Verlag Berlin, 2012, S. 297
20 Stephan Berrens, Sonnenkult und Kaisertum von den Severern bis zu Constantin I. (193-337 n. Chr.), Franz Steiner Verlag, Stuttgart, 2004, S. 28
21 Martin Wallraff: Christus versus sol. Sonnenverehrung und Christentum in der Spätantike, 2001, S. 158–162; David Knipp: Christus Medicus in der frühchristlichen Sarkophagskulptur, 1998, S. 42f., abgerufen am 18.06.2017 von Wikipedia Sol invictus https://de.wikipedia.org/wiki/Sol_(r%C3%B6mische_Mythologie)
22 New Catholic Encyclopedia, Constantine I, The Great, Roman Emperor, 1967, am 18.06.2017 abgerufen von: www.encyclopedia.com/religion/encyclopedias-almanacs-transcripts-and-maps/constantine-i-great-roman-emperor
23 Dirk Schümer, Konstantin der Große : Der legendäre Heidenchrist, in: F.A.Z., 02.06.2007, Nr. 126/S. 21, www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/konstantin-der-grosse-der-legendaere-heidenchrist-1436494.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0
24 Stephan Berrens, Sonnenkult und Kaisertum von den Severern bis zu Constantin I. (193-337 n. Chr.), Franz Steiner Verlag, Stuttgart, 2004, S. 29
25 Paul Dehn Carleton, Concepts: A Prototheist Quest for Science-minded Skeptics of Catholic, and other Christian, Jewish Muslim Backgrounds, Michigan 2004, S. 24
26 Bereits vor der gesetzlichen Verankerung wurde von Teilen der Bevölkerung der Sonntag als Ruhetag gehalten. Andere hielten den Saturnstag (Samstag) als Ruhetag und eine wohl sehr kleine Gruppe blieb beim biblischen Sabbat, wie ein Zitat Tertullians (150-220 v.u.Z) zeigt: 'Allein auch sehr viele von euch bewegen nach Sonnenaufgang hingewendet die Lippen, indem sie manchmal das Verlangen haben, auch himmlische Dinge anzubeten. Ebenso kommen wir, wenn wir den Sonntag der Freude widmen, und zwar aus einem ganz anderen Grunde als wegen Verehrung der Sonne, ja gleich nach denen, welche den Samstag dem Müßiggange und den Mahlzeiten widmen, wobei übrigens auch sie von der jüdischen Sitte, die sie nicht recht kennen, abweichen.' (Tertullian, Aplogetikum oder Verteidigung der christlichen Religion und ihrer Anhänger, Kap. 16, 198 u.Z., Deutsche Übersetzung: K.A. Heinrich Kellner, 1912, S. 95)
27 Der Saturnstag war zuvor der erste Tag der Planetenwoche. Er galt als Unglückstag und war deshalb ein Ruhetag. Erst im Laufe der ersten zwei Jahrhunderte wurde der Saturnstag im Julianischen Kalender zum Siebten Tag der Woche. Mit der Sonntagsgesetzgebung Konstantins wurde der Ruhetag auf den Dies Solis (Sonntag) verlegt.
28 The Reasoner, Journal of Freethought and Positive Philosophy, Hrsg. George Jacob Holyoake, Bd. 25, London, 8. Januar 1860, S. 11-13; eigene Übersetzung ins Deutsche
29 Kaiser Gratian wollte den heidnischen Titel Pontifex Maximus nicht mehr verwenden 'weil es sich nicht für einen christlichen Kaiser schicke' (John B. Weiss, Weltgeschichte, Bd. III, Das Christentum - Die Völkerwanderung, 1910, S. 608).
30 Werner Papke, Mithras oder Jesus? Auferstehung im Zeichen Kains (Forts.) – Adam und Eva in den Sternen vorder Flut, Juni 2000, in: Biblischer Botschafter, Werner Papke (Hrsg.), S. 16, www.dr-papke.de/bibos/bibo08.pdf